Die Meere kochen / 23.08.09

meere-kochenDie Meeresoberflächen sind so warm wie noch nie. Der Rekord von 2005 wird damit gebrochen.

Kinder quietschen vor Freude, wenn sie ins Wasser springen. Sie verbringen Stunden darin, ohne dass die Zähne klappern oder sich die Lippen blau verfärben. Und jene Warmduscher, die sonst nur im beheizten Pool schwimmen, geniessen plötzlich die angenehme Abkühlung in der Sommerhitze. Die mittlere Temperatur der globalen Meeresoberfläche war im Juni 2009 so hoch wie noch nie seit Anfang der Messungen im Jahre 1880. Auch der Rekord von 2005 wurde damit überboten. Die durchschnittliche Oberflächentemperatur lag um 1,06 Grad höher als der Durchschnitt des gesamten 20. Jahrhunderts. Dies belegt das US-Unternehmen National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA). Die ansteigenden Meerestemperaturen freuen Badehungrige, bereiten den Biologen aber grosse Sorgen.

Verdrängungskampf unter Wasser
Vor allem im Mittelmeer zeigen sich besorgniserregende Entwicklungen. „Nebst der Überfischung und der Verschmutzung müssen wir nun auch mit den Problemen rund um das ökologische Gleichgewicht fertig werden“, zitiert der Tagesspiegel Franco Andoloro vom Nationalen Meeresforschungszentrum Icram in Rom. Das neue Problem heisse  „tropicalizzazione“, die Erwärmung der Gewässer auf tropische Temperaturen. „Das Mittelmeer war noch nie so warm wie in diesem Jahr“, so der Meeresbiologe Angelo Mojetta. Fischer und Taucher würden plötzlich Tiere zu sehen bekommen, die im Mittelmeer eigentlich nichts zu suchen hätten. So zum Beispiel Kugelfische oder Papageienfische – Arten, die eigentlich nur im Roten Meer leben. Und dies führe zu einem Verdrängungskampf, bei dem die heimischen Arten den Kürzeren ziehen.
Selbst Nord- und Ostsee wärmer
Nicht nur im Mittelmeer steigen die Temperaturen an. „Alle Meere erwärmen sich“, erklärt Alexander Hauri von Greenpeace. Selbst  auf dem Meeresgrund der Nord- und Ostsee registrieren Forscher einen deutlichen Anstieg. Nach dem milden Winter und dem warmen Juniausklang seien nicht nur die Oberflächenschichten, sondern auch die tieferen Wasserzonen deutlich erwärmt worden, sagt Hartmut Heinrich vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH). Die seit 1987 anhaltende Warmphase in beiden Meeren setze sich fort. Normalerweise würden sich Kalt- und Warmphasen in einem Zyklus von acht bis zwölf Jahre abwechseln. Doch zeigten die Messstationen, dass sich die tieferen Wasserschichten selbst in den Wintermonaten nicht mehr unter das langjährige Mittel abkühlen würden.

Zusammenbruch der Fischbestände
Die UNO und ihr Umweltprogramm UNEP veröffentlichten einen dramatischen Bericht über die Folgen des Klimawandels. Dabei ging es auch um die Auswirkungen auf die maritimen Ökosysteme. Die ohnehin schon stark geschrumpften Fischbestände der Weltmeere seien durch Überfischung bedroht. Der Klimawandel würde die Situation aber noch weit mehr verschlimmern. Heizen sich die Wassermassen weiter auf, könne nicht genügend Sauerstoff gebunden werden. Und eine Vielzahl dieser Lebewesen brauche Sauerstoff. Die Autoren der Studie reden von einem totalen Zusammenbruch der weltweiten Fischbestände. Daneben ist die Verlagerung verschiedener Tierarten zu beachten. Nicht nur im Mittelmeer kennt man mittlerweile dieses Phänomen. Die kalten Gewässer der Antarktis beispielsweise waren Millionen von Jahren frei von fremden Räubern, da diese warme Gewässer bevorzugten. Durch die globale Erwärmung drohe diese heile Welt von Eindringlingen überrannt zu werden. So habe bereits die Invasion von Krabben begonnen, heisst es auf der Webseite von Klimawandel Global.

Ein verheerender Kreislauf
Die Gefahr durch den Klimawandel lauert an weiteren Fronten. Die Erwärmung führt dazu, dass Korallenriffe absterben – und diese dienen vielen Seetierarten als Lebensraum. „Auch die Meeresströmungen könnten ihren Verlauf ändern“, sagt Professor David G. Senn von der Universität Basel. Dazu kommt die Aufnahme von CO2 in der Atmosphäre. „Nicht nur Wälder binden riesige Mengen an CO2, sondern auch die Ozeane“, erklärt Hauri. „Und wärmeres Wasser kann weniger CO2 aufnehmen“. Das sei physikalisch bedingt. Zu vergleichen mit einer warmen Flasche Mineralwasser, bei der nach kurzer Zeit die Kohlensäure entschwindet. Für viele Schalen- und andere Meerestiere droht deswegen das Ende. Laut Klimawandel Global wird heutzutage fast die Hälfte der Kohlendioxid-Emissionen des Menschen in den Weltmeeren gespeichert. Die Aufnahmekapazität des Wassers sinke jedoch bei steigenden Temperaturen und so könne bei höheren Wassertemperaturen der Treibhauseffekt noch weiter verstärkt werden. Ein verheerender Kreislauf, den nur wir Menschen aufhalten können. Doch dafür ist es vermutlich bereits zu spät.

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