Nachhaltigkeit: Finanzprofis fordern Berichtspflicht / 27.07.09

daxUnternehmen sollen auch über ihre ökologische und soziale Nachhaltigkeit berichten, fordern Finanzprofis. Anleger hätten ein Recht auf diese Informationen. Denn nachhaltig handelnde Unternehmen wirtschaften nachweislich besser als der Durchschnitt. Ökologische und soziale Verantwortung lohnt sich daher nicht nur für die Anleger.
Finanzprofis fordern eine Pflicht für Unternehmen, über die ökologische und soziale Nachhaltigkeit ihrer Arbeit in festgelegter Form zu berichten. Nachhaltiges Handeln sei für börsennotierte Unternehmen so wichtig, dass Anleger ein Recht auf eine nachvollziehbare Beschreibung des jeweiligen Engagements hätten. Das fordern sowohl die Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA) als auch Eurosif, ein europäisches Netzwerk von Anlegern, Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen.

“Derzeit entsprechen CSR – und Nachhaltigkeitsberichte weder der Form noch dem Inhalt nach den Bedürfnissen von Investoren und Kreditgebern”, sagt DVFA-Geschäftsführer Ralf Frank. Dass selbst konventionell arbeitende Finanzexperten wie er nachvollziehbares verantwortliches Handeln fordern, zeigt den Bedeutungszuwachs von Corporate Social Responsibility (CSR).

Immer mehr Anleger schichten ihr Geld zu nachhaltig handelnden Unternehmen um, weil diese erfolgreicher wirtschaften. In 16 von 18 Industrien entwickelten sich die Börsenwerte von Unternehmen mit starker Nachhaltigkeitsverpflichtung zwischen Mai und November 2008 durchschnittlich um 15 Prozent besser als die gesamte Industrie. Das ermittelte die Managementberatung A.T. Kearney. Deren Zentraleuropachef Dietrich Neumann sagt: “Dies zeigt, dass Aktienmärkte nachhaltigen Unternehmen eher zutrauen, die Krise zu bewältigen und langfristig sehr erfolgreich zu sein.”

Allerdings ist es nicht immer einfach, herauszufinden, welche Unternehmen tatsächlich nachhaltig handeln und welche lieber nur darüber sprechen. “Ohne umfassende Informationen kann kein Anleger die Verantwortung für seine Investitionen übernehmen”, sagt Harry Hummels, Direktor des Vermögensverwalters SNS Management.

Immerhin veröffentlichen anders als vor zwei Jahren fast alle Dax-Konzerne Nachhaltigkeitsberichte. Nur Fresenius und Salzgitter weisen keine öko-sozialen Leistungen aus. Thyssen-Krupp hat ein aufwändiges Magazin, berichtet aber nur über Projekte und nicht über eine messbare Bilanz. Siemens hat erstmals einen derartigen Bericht vorgelegt. Qualität und Umfang der Berichte variieren. Einige, wie die von Deutscher Bank, Commerzbank oder MAN legen den Fokus eher auf gute Taten denn auf die wirklich wichtigen ökologischen Verbesserungen im Kerngeschäft. Allianz, BMW, Deutsche Post, Henkel oder RWE hingegen informieren anhand messbarer Kriterien über Strategien, Produkte, Ziele und Leistungen. Adidas tut das überaus systematisch und selbstkritisch.

Vielfach aber lässt die Glaubwürdigkeit nicht nur mangels Daten, sondern auch mangels Kontrolle zu wünschen übrig. Nur sieben der 27 Berichte sind von Wirtschaftsprüfern testiert. BASF integriert als einziger Konzern die Nachhaltigkeit in den Geschäftsbericht. Dies sei sinnvoll, sagt Sabine Schneider, Geschäftsführerin der Kommunikationsagentur Blackpoint: “Denn Nachhaltigkeitsberichte sollen neben ökologischer und sozialer Dimension auch ökonomische Aspekte abdecken.” Bisher aber geben die Lageberichte der meisten Unternehmen kaum aussagekräftige Informationen zu öko-sozialen Risiken oder Chancen. Eine Berichtspflicht ist aber nur sinnvoll, wenn sie Erfordernisse von Kapitalgebern, Analysten und Ratingagenturen beachte, betont DVFA-Geschäftsführer Frank. Transparenz heiße nicht, viele Daten, sondern die entscheidenden offen zu legen. Das erfordere eine Standardisierung.

“Großanleger benötigen aussage-kräftige Leistungsindikatoren, die kompatibel zu finanziellen Bewertungsansätzen sind”, erläutert Volker Weber, Vorstandschef des Forums Nachhaltige Geldanlagen in Berlin. Darum hat die DVFA “Key Performance Indicators” dafür entwickeln lassen und im Mai zudem Branchenstandards veröffentlicht. Die Indikatoren wurden 2008 vom europäischen Branchenverband EFFAS bestätigt. Bisher offenbar ohne durchschlagenden Erfolg.
Die Umfänge der Nachhaltigkeitsberichte der 30 Dax-Konzerne liegen zwischen 15 und 173 Seiten. Besonders Mitteilungsfreudig sind die Branchen Automobil, Transport, Chemie und Industrie/Rohstoffe. Bei Pharma, Informationstechnologie, Versorgung und Finanzinstituten sanken dagegen die Umfänge im Zwei-Jahres-Vergleich.

Print vor Online
Ein Trend zur ausschließlich digitalen Version ist nicht erkennbar. Nur Adidas, Münchener Rück, SAP und Siemens beschränken sich auf Online-Berichte.

Bunte Vielfalt
Experimentierfreudig sind die Unternehmen bei den Formaten. Daimler etwa veröffentlicht ein Magazin und einen Faktenbericht. Die Allianz bietet auf 24 Seiten eine übersichtliche Kostprobe – mehr gibt es im Internet.

Grün fährt vor
Missachten Unternehmen die Verantwortung für die Folgen ihres Geschäfts, kann sich die Situation durch die Wirtschaftskrise dramatisch verschlechtern. Das zeigt etwa die amerikanische Autoindustrie. Die Hersteller verschliefen den Trend zu Energieeffizienz und bangen nun ums Überleben. Die Banken gerieten ins Straucheln, weil sie kurzfristige Erfolge vor langfristigen Nutzen setzten.

Quelle ( Handelsblatt )

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