Ungewöhnliche Belagerung: keine Angst vor Marienkäfer- und Schwebfliegen-Massen
Die Hain- oder Winterschwebfliege tritt derzeit besonders häufig auf. Sie gehört zu den wenigen Schwebfliegenarten, die regelmäßig jahreszeitlich bedingte Wanderungen unternehmen und dabei unter anderem auch Alpenpässe überqueren.
Marienkäfer sind allseits beliebte Tierchen. Wenn sie aber in Massen auftreten, wie jetzt an der Ostseeküste von Lübeck bis Rostock, werden die kleinen Krabbler doch recht lästig. Zu Millionen ließen sich die Käfer an den Stränden nieder, auch im küstennahen Binnenland von Hamburg bis Schwerin traten die „Glücksbringer“ gehäuft auf. Mancherorts waren die Käfer nicht allein, sondern in Gesellschaft unzähliger Schwebfliegen.
Anwohner und Urlauber fragen sich nun besorgt, wie lange die Belagerung anhält und ob die Tierchen für den Menschen gefährlich sind. Sowohl Marienkäfer wie auch Schwebfliegen sind im allgemeinen völlig harmlos, aus menschlicher Sicht sind sie sogar ausgesprochen nützlich. Marienkäferlarven ebenso wie die Käfer selbst sind fleißige Blattlausvertilger. Auch die Larven vieler Schwebfliegenarten helfen bei der Blattlausbekämpfung im Garten, während die erwachsenen Tiere sich von Blütennektar ernähren.
Asiatische Gefahr?
Wie von der Deutschen Presseagentur verbreitete Aufnahmen zeigen, handelt es sich beim Massenauftreten an der Küste nahezu ausschließlich um heimische Siebenpunkt-Marienkäfer. Befürchtungen, der bei uns eingeführte Asiatische Marienkäfer könnte die heimischen Arten verdrängen oder gar ausrotten, haben sich bisher also nicht bewahrheitet.
Gründe für Massenauftreten von Tieren gibt es viele. Im konkreten Fall dürfte die Invasion der Krabbeltiere so plötzlich enden, wie sie kam. Dass derzeit überhaupt viele Marienkäfer und auch Schwebfliegen auftreten, liegt daran, dass 2009 zuvor ein sehr gutes Blattlausjahr war. Die Blattlausfresser haben also vom guten Nahrungsangebot profitiert und konnten sich besonders stark vermehren. Sowohl das Blattlausangebot für die Marienkäfer wie auch das Blütenangebot für die Schwebfliegen geht jetzt im Hochsommer deutlich zurück und das veranlasst die Tiere, sich nach neuen Nahrungsgründen umzusehen.
Normalerweise fallen umherziehende Marienkäfer oder Schwebfliegen nicht weiter auf. Herrscht wie zuletzt aber starker ablandiger Wind, der die Insekten zusammentreibt und aufs Meer hinauszuwehen droht, kommt es an der Küste zu Massen-Notlandungen. Sobald die Windbedingungen wieder günstiger sind, werden sich Käfer und Schwebfliegen wieder zerstreuen.
Käfermassen wie derzeit wurden an der Küste zuletzt vor 20 Jahren registriert. In kleinerem Maßstab ist das Phänomen Ende Juni/Anfang Juli aber recht häufig. 2009 kam es sogar schon im Frühjahr zu Massenansammlungen. Mitte April fanden sich an der Ostseeküste zwischen Grömitz und Kellenhusen im Spülsaum auf 2,5 Kilometern Länge gut eine Million Käfer. Während aktuell fast ausschließlich Siebenpunkt-Marienkäfer auftreten, waren es im April Tiere aus immerhin elf verschiedenen Arten.
Jetzt Distelfalter beobachten
Was Insektenwanderungen betrifft, ist 2009 ohnehin ein Ausnahmejahr. So kam es im Mai zu einem Masseneinflug von Distelfaltern, der selbst erfahrene Naturbeobachter staunen ließ. In mehr oder minder großer Zahl wandern die bunten Distelfalter in jedem Frühjahr aus Nordafrika und Südeuropa ein. Manche Tiere fliegen dabei bis Finnland und im Westen über die Britischen Inseln sogar bis nach Island.
Distelfalter an Sommerflieder
Ein endgültiges Ziel haben die Falter nicht. Mit mehreren Generationen pro Jahr sind sie ständig unterwegs, immer auf der Suche nach den besten Lebensbedingungen. Inzwischen ist die erste Nachfolgegeneration der Einwanderer geschlüpft, so dass man in ganz Deutschland derzeit besonders gut Distelfalter beobachten kann. Gerne fliegen die Falter Korbblütler wie Flockenblumen oder Witwenblumen an, in Gärten nutzen sie Sommerflieder als Nektarquelle.
Nicht nur Störche und Mauersegler wandern also, sondern auch zahlreiche Fliegen, Käfer, Schmetterlinge und andere Insekten. Gut beobachten lassen sich diese Wanderungen an Bergpässen und -gipfeln, wo sich die Zugbewegungen konzentrieren. An der Forschungsstation Randecker Maar nahe Kirchheim/Teck zum Beispiel erfassen ehrenamtliche Beobachter nun schon seit 40 Jahren neben dem Vogel- auch den Insektenzug. Vor allem die Breitfußschwebfliege Platycheirus clypeatus und die Winterschwebfliege Episyrphus balteatus werden hier in großer Zahl registriert.
Ausweichbewegungen und Gipfelbalz
Transkontinentale Langstreckenwanderungen wie beim Distelfalter sind im Insektenreich eher die Ausnahme. Oft handelt es sich lediglich um wetter- oder ernährungsbedingte Ausweichbewegungen von hundert Kilometern oder weniger. Manche Ansammlungen auf Berggipfeln haben mit eigentlichen Wanderungen auch gar nichts zu tun. Beim sogenannten Hilltopping begeben sich die Männchen von Schmetterlingen oder auch Raubfliegen auf die Gipfel und rangeln dort in Erwartung paarungsbereiter Weibchen um die besten Plätze. Und wenn sich – um zu den Marienkäfern zurückzukommen – im Herbst große Käfertrupps an Hauswänden oder gar im Haus versammeln, ist das nicht der Treff zum Reiseanbruch, sondern meist schon das Ende der Reise. Viele Marienkäfer überwintern nämlich gerne in Gesellschaft und suchen dazu Spalten und andere geschützte Stellen auf.
Quelle ( NABU )