Auch wenn man in diesen Tagen Prognosen kaum noch trauen mag – es spricht vieles dafür, dass die Umwelttechnik weiterhin stark wachsen wird. Klimawandel, Ressourcenverknappung und Bevölkerungswachstum sind so starke langfristige Trends, dass man sich kaum etwas vorzustellen vermag, was die notwendige Suche nach intelligenten technischen Lösungen stoppen könnte. Und dazu braucht es immer mehr Arbeitskräfte, vor allem auch Ingenieure. Nach Angaben des Verbands der Ingenieure (VDI) ist der in allen Branchen beklagte Ingenieurmangel in der Umwelttechnik besonders groß.
In der Studie von Roland Berger wird die Zahl der derzeitigen Stellen in der deutschen Umwelttechnik auf 1,1 Millionen beziffert. Es wird erwartet, dass sich die Arbeitsplätze in der grünen Technik bis 2020 auf 2,2 Millionen verdoppeln werden; umweltorientierte Arbeitsplätze in den traditionellen Branchen sind in diesen Zahlen noch gar nicht mit eingerechnet. Für die bisherigen deutschen Leitbranchen Auto und Maschinenbau wird hingegen eine Stagnation vorhergesagt. Damit ist für manche Fachleute schon heute klar: Die Umwelttechnik ist die Leitbranche des 21. Jahrhunderts. Bisher liegt sie gemessen am Umsatz noch auf Platz zwei, nach der Autoindustrie und vor dem Maschinenbau und der Chemiebranche.
Dass auf der ganzen Welt die Nachfrage nach Gütern, die dem Umweltschutz und dem Klimaschutz dienen, stärker wachsen wird als die Nachfrage nach Gütern insgesamt, scheint gewiss. Die bange Frage lautet, ob Deutschland seine bisher hohen Weltmarktanteile wird halten können. Denn die Erkenntnis, dass Umweltschutz ein Megatrend ist und dass sich damit Geld verdienen lässt, ist inzwischen auch im Ausland gereift. Noch halten die Deutschen in vielen Bereichen eine internationale Spitzenposition, weil hierzulande die Vorliebe für technische Lösungen und ein hohes Umweltbewusstsein schon früh eine Allianz eingegangen sind.
Die Nachfrage wird sich verschieben
Doch zumindest die Nachfrage nach Umwelttechnik wird sich nach Einschätzung von Fachleuten deutlich weg von Europa hin nach Asien und Nordamerika verschieben. Doch wie sieht es mit der Produktion aus? Vor allem China werde viel unternehmen, um eine starke einheimische Industrie aufzubauen, glaubt Dietmar Edler vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. Aber auch in Amerika soll nach dem Machtwechsel im Weißen Haus viel mehr Geld in den Umweltschutz und auch in die heimische Industrie fließen. Das zeigt bereits der Blick auf das amerikanische Konjunkturpaket, das mehr Investitionen in den Umweltschutz vorsieht als die Konjunkturpakete vieler anderer Länder. DIW-Forscher Edler ist trotz dieser Entwicklungen im Ausland zuversichtlich, dass Deutschland seine gute Wettbewerbsposition wird halten können. Sein technologischer Vorsprung und sein Knowhow seien beachtlich, argumentiert er. Roland-Berger-Berater Henzelmann ist hingegen nur verhalten optimistisch. An dem derzeit bestehenden Vorsprung müsse sehr hart gearbeitet werden, mahnt er.
Bis jetzt bestehen jedoch kaum Zweifel, dass sich Ingenieure, die in der deutschen Umwelttechnik arbeiten wollen, auch in den nächsten Jahren mehr oder weniger aussuchen können, wo sie arbeiten möchten. Fachleute sagen für alle Bereiche ein überdurchschnittliches Wachstum voraus. Nach den Prognosen von Roland Berger wird es in der umweltfreundlichen Energieerzeugung und in der Rohstoff- und Materialeffizienz mit etwas mehr als 10 Prozent im Jahr besonders hoch sein. Kräftig aufwärtsgehen werde es aber auch in den Unternehmen, die nach neuen Lösungen für eine nachhaltige Mobilität, eine ökologische Wasserwirtschaft und eine umweltschonende Entsorgung von Abfällen suchen.
Relativ kurze Innovationszyklen
Weil die Innovationszyklen in der Umwelttechnik relativ kurz sind, unterscheiden sich die Arbeitsplätze in dieser Branche grundsätzlich von Arbeitsplätzen in den traditionellen Industriezweigen. „Man kann schneller aufsteigen als in einer klassischen Ingenieurbranche. Man kann mehr bewegen und schneller mehr Verantwortung übernehmen“, erklärt Roland-Berger-Berater Henzelmann. Je nach Typ sei das unbequem oder eine willkommene Herausforderung. Auf der anderen Seite sind viele Umwelttechnik-Unternehmen im Vergleich zu den großen Technikunternehmen klein und wenig international. So mancher junge „High-Potential“ arbeitet aber lieber in einem großen Unternehmen mit Niederlassungen im Ausland. Die Umweltunternehmen liefern sich deshalb mit den Technikkonzernen einen harten Konkurrenzkampf um die Fachkräfte. Für umweltinteressierte Ingenieure ein Vorteil: Die Gehälter in der Umwelttechnik nähern sich denen in den großen Unternehmen an.
Eine starke deutsche Umweltbranche mit besonders guten Wachstumsaussichten sind die erneuerbaren Energien. Um 25 Prozent sind die Stellenangebote im ersten Quartal 2009 gegenüber dem Vorjahresquartal gewachsen, hat der Wissenschaftsladen Bonn herausgefunden. Fachkräfte würden händeringend gesucht. Das gelte für Bioenergie, Solarenergie, Windenergie und Geothermie gleichermaßen. Bemerkenswert sei, dass die meisten der angebotenen Stellen unbefristet seien. Gesucht werden vor allem Ingenieure und Techniker. Weil diese knapp sind, verwundert es wenig, dass immer mehr Arbeitgeber auch unerfahrenem Personal und jungen Absolventen eine Chance geben und diese dann inner- und überbetrieblich weiterbilden. Der Wissenschaftsladen beobachtet außerdem eine zunehmende Internationalisierung der Stellen. Das gelte vor allem für die Windenergie, wo fast 40 Prozent der Stellenangebote eine Auslandsdimension hätten.
Berufe im Bereich erneuerbare Energien gelten als attraktiv
Unter vielen Technikbegeisterten gelten Arbeitsplätze in der Branche der erneuerbaren Energien als besonders attraktiv, weil man technisch noch am Anfang steht. So werden Windkraftanlagen mit dem Model T von Ford aus den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts verglichen. Studierte Techniker sollen deshalb vor allem am „Repowering“ der Anlagen mitarbeiten: Diese sollen höher werden, ihre Rotoren sollen länger und breiter werden und aus besseren Materialien gefertigt werden. Die Branche setzt außerdem große Hoffnungen in besonders leistungsstarke Windkraftanlagen auf hoher See. Doch es müssen noch Lösungen gefunden werden, wie diesen ein festes Fundament verpasst werden kann, wie sie korrosions- und windfest werden können.
Längst ist die Umwelttechnik auch in den traditionellen Industrien angekommen. Wer die Internetseite des Verbandes der Automobilindustrie aufruft, könnte glauben, sich auf der Seite eines Umweltverbandes verirrt zu haben. Um die Entwicklung umweltfreundlicher Fahrzeuge scheint in dieser Branche ein Großteil der Gedanken zu kreisen. Gesucht wird nach ressourcensparenden Antriebstechniken. Hybridtechnik, Elektromotoren und Brennstoffzellen sind Stichworte, die das Herz des zukunftsorientierten Autoingenieurs höher schlagen lassen. Bis solche Techniken – wann auch immer – für einen breiten Markt taugen, wird an der Entwicklung sparsamer Benzin- und Dieselmotoren weitergearbeitet.
Quelle ( F.A.Z. )