Green Week / 28.06.09

green-weekDie Appelle werden immer dramatischer. Mittlerweile sprechen viele Experten schon nicht mehr davon, die 2-Grad Erwärmung zu verhindern, sondern wie möglichst schnell eine Fünf-bis Sechs-Grad-Erwärmung verhindert werden könnte. So auch auf der größten europäischen Umweltkonferenz, der Green Week, die seit Dienstag in Brüssel tagte und am Freitagmittag zu Ende ging.
NGOs, Ministerialbeamte, Abgeordnete, Unternehmer und Wissenschaftler tauschten sich vier Tage lang unter dem Dach der Europäischen Kommission zum Thema “Climate Change: act and adapt” über Klimaschutz- und Anpassungsstrategien aus. 4000 Teilnehmer waren aus ganz Europa angereist – so viel wie noch nie auf den Green-Weeks der letzten acht Jahre. Wenige Monate vor der Weltklimakonferenz in Kopenhagen hoffen die Teilnehmer vor allem auf ein ambitioniertes Abkommen, das von so vielen Ländern wie möglich unterzeichnet werden soll.

Umweltkommissar Stavros Dimas und der schwedische Umweltminister Andreas Carlgren sowie Kommissionspräsident José Manuel Barroso warben auf der Abschlusskonferenz der Green Week eindringlich für ein erfolgreiches Abkommen. Dimas betonte, dass das Wort “Fehlschlag” für ihn nicht mehr existiere in Zusammenhang mit Kopenhagen. Doch der Zeitplan sei eng: “Wir haben noch fünf Monate aber bezogen auf die Masse der Verhandlungen eigentlich nur noch fünf Wochen”, so Dimas auf dem Abschlussplenum. Während der Kommissionspräsident auf die Erfolge der letzten Wochen verwies, zeigte sich der Umweltkommissar skeptischer: “Wenn in der Politik im Allgemeinen von ‘Fortschritten’ geredet wird, hat sich meist nichts bewegt”, erklärte Dimas. Der schwedische Umweltminister Carlgren betonte auf der Green Week, dass sich die schwedische Ratspräsidentschaft in den nächsten sechs Monaten dafür einsetzen werde, dass “die Umwelt zur Triebfeder für Entwicklung” werde.
In diesem Sinne stand in den vier Tagen der Green Week vor allem die “grüne Ökonomie” im Vordergrund. Es wurde diskutiert, was Unternehmen, Politik und Verbraucher zu einer Öko-Wende beitragen können. Bezeichnend war allerdings, dass die anwesenden Unternehmen – unter anderem Microsoft und der Chemiekonzern Dow Benelux – die Verantwortung auf Politik und Verbraucher abschoben. Angeblich seien schon unzählige grüne Produkte in der Pipeline und die Verbraucher müssten nur noch zuschlagen. Die Politik solle dagegen Anreize und Rahmen setzen, damit sich grüne Produkte durchsetzten.

Politiker hingegen verwiesen auf bereits bestehende gesetzliche Rahmen, wie das Energie- und Klimapaket der Union oder Konjunkturprogramme. So schoben beide Seiten die Verantwortung jeweils dem Anderen in die Schuhe und verwiesen auf die eigenen “großartigen Erfolge”.

Grundsätzlichere Kritik am derzeitigen Wirtschaftssystem und seiner Wachstumsideologie kam dagegen von Seiten der Wissenschaft.
“Unser Wirtschaftssystem muss zu unserer Erde passen”, erklärte Arnold Tukker vom Netzwerk Score, das sich mit Nachhaltigkeit von Konsum beschäftigt. Mit dem derzeitigen Verbrauch an Ressourcen und den Unmengen an Abfall und Emissionen sei eine lebenswerte Zukunft nicht möglich. So müsse der Rohstoffverbrauch von heute 24 Tonnen pro Person auf mindestens sechs bis sieben Tonnen reduziert werden, so Tukker. Dies sei aber nicht allein mit etwas Ökodesign zu erreichen, sondern der westliche Lebensstil müsse grundlegend reformiert werden: Weniger Fleisch, weniger Energie, weniger Mobilität. Vorbild dafür sei der „Low Impact Man“ – ein Mensch, der seinen ökologischen Fußabdruck so klein wie möglich hält.

Das sei aber nicht allein Sache des Verbrauchers, sondern müsse gesamtgesellschaftlich gedacht werden, erklärte Jakob von Uexküll, Gründer des Weltzukunftsrates und Stifter des Alternativen Nobelpreises. Er glaubt, dass ohne neue Verhaltens- und Denkmuster eine wirkliche Ökowirtschaft nicht möglich sei.  Der Zukunftsforscher denkt über großangelegte Recyclingsysteme, Steuern auf Ressourcen und einen Ersatz des BIP durch eine Messung der gesamten Wirtschaftsleistung an einem Indikator für ökologischen Fortschritt nach. „Das Problem ist nicht, dass wir keine neuen Ideen haben, problematisch sind die alten Ideen, die uns beherrschen“, beschwor Uexküll.

Ebenso alarmierend waren die Vorträge über die Anpassungsstrategien an die schon derzeit spürbaren Klimaveränderungen. Ministerialbeamte aus Großbritannien und den Niederlanden schilderten, wie neue unwetterfeste Infrastrukturprojekte wie Strassen geplant und sichere Gebäude – wie Schulen – in Angriff genommen würden.

Umweltschützer wie der Biologe Graham Bennett vom niederländischen Forscherzentrum Syzygy machen sich zunehmend um das Ökosystem Europas Sorgen. Allein bei einem wahrscheinlichen Temperaturanstieg von 1,5 bis 2,5 Grad seien in Europa rund 20 bis 30 Prozent der Pflanzen- und Tierwelt gefährdet. Durch die Erwärmung verlagerten sich die Arten in den Norden Europas. Vor allem für bestimmte Tierarten wie Amphibien müssten deshalb “Öko-Korridore” zwischen den Naturschutzgebieten geschaffen werden.

Angesichts der zunehmenden visiblen Zeichen des Klimawandels laufen die Anpassungsprozesse auf Hochtouren. Trotzdem hofft die Mehrheit der Teilnehmer der Green Week, dass Schlimmeres noch mit einem ambitionierten Klimaabkommen und einer ökologischen Technologierevolution verhindert werden kann.
 
Quelle ( Wir Klimaretter )

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